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Ich erkläre dir die Welt, Baby – (wo)mansplaining und was man dagegen tun kann

Männer fällt es meist leichter, Dinge, Verhalten, Situationen zu erklären als sich selbst wahrzunehmen. Die Frage „Warum ist etwas so und so“ ist wesentlich leichter zu beantworten als „Wie geht es mir jetzt gerade in diesem Moment“. Die Antworten auf das Warum lassen viele Ansichten zu: weil, ... und weil, ... und weil, .... und schon hat Mann ein paar Stunden verdiskutiert ohne dem Wahrnehmen näher gekommen zu sein. Männer benutzen oft diese Möglichkeit, um sich aus dem Kontakt mit dem Gegenüber oder mit sich selbst zu nehmen. Und ein weiterer wichtiger Aspekt des Erklärens: Es reguliert die Rangunterschiede. Wenn Männer in Situationen sind, in denen es unbequem wird, hilft das Erklären. Damit wird die möglicherweise gefährdete Selbstsouveränität wieder hergestellt. Das alles passiert unbewusst, sozusagen im Autopilot.

 

Als Therapeut erlebe ich viele Beratungssituationen, die richtig brenzlig werden können. Wenn plötzlich unangenehme Wahrheiten fühlbar werden, kann es ganz schön heiss im Mann werden. Das nach aussen dargestellte Selbstbild steht plötzlich auf wackligen Füssen. Mann fühlt sich ertappt, Scham steigt hoch und Not ist am Mann. Was hilft ist die Flucht ins Erklären. Doch nicht die eigene Innenwelt wird erläutert, sondern das „Warum“ – weil..., und weil... und weil... Das schafft die nötige Distanz zur Situation, zu den Gefühlen und generiert Sicherheit, zumindest im Moment. Doch leider ist das Erklären als reine Kopfsache nicht gerade hilfreich und schafft vor allem eines: Distanz zum Gegenüber. Vielmehr würde es helfen, sich einzugestehen, dass Mann nicht wissend ist oder nur halbwissend oder unsicher oder ängstlich oder hilfslos...

 

Oder anders gesagt, indem Mann zum Erklärer wird, wird er zum Retter – der Mann, der weiss wie die Welt funktioniert. Dieses Verhalten wird Männern von klein an beigebracht. All unsere männlichen Vorbilder aus der Kindheit und Jugend sind Männer, die uns erklärt oder vorgelebt haben wie es geht. Sie können Fussbälle jonglieren, Maschinen auseinander nehmen oder wissen sich auf der Bühne zu bewegen. Von all ihnen lernen wir: Um gut zu sein, müssen wir etwas drauf haben. Und da Männer nicht in die Gefühlswelt hinein erzogen werden (diese steht primär Mädchen zu), lernen Männer nach logischen und erklärbaren Zusammenhängen zu streben. Damit erarbeiten wir uns als erwachsene Männer Ansehen und einen hohen Rang. Entsprechend arbeiten viele Männer in Berufen, die Logik und strukturierte Abläufe beinhalten. (Damit ich richtig verstanden werde: Ich möchte hier nicht das Wissen als solches negieren, sondern die Art und Weise, wie Männer mit ihrem Wissen haushalten.)

 

Eine weit verbreitete Art unter Männer ist das Mansplaining (man + explaining).

 

Wikipedia übersetzt mit: „Der Akt, etwas herablassend zu erklären, insbesondere durch einen Mann gegenüber einer Zuhörerin, um sachkundig zu erscheinen oder aus der irrtümlichen Annahme heraus, dass sie ein minderwertiges Verständnis des Themas hat“.

 

Wenn Mann also ungefragt erklärt, ist es nicht nur die beschreibende Art des Redens, sondern auch die Herstellung eines höheren Ranges gegenüber Frauen.

 

„mansplaining ist eine schwierige Erkrankung. Dabei versuchen Männer Frauen ungefragt die Welt zu erklären – auch dann, wenn die viel mehr Ahnung haben. Die Krankheit ist nicht ansteckend, aber eine richtige Medizin gibt es auch nicht (außer vielleicht Einsicht). „ Autor unbekannt

 

Doch dies ist keineswegs eine nur auf Männer bezogene „Krankheit“, auch Frauen tun dies. Wikipedia schreibt zu womansplaining: „Herablassende Erklärung von etwas durch eine Frau, insbesondere gegenüber einem Mann“. Welcher Mann hat nicht schon erlebt wie Frau sich über Küchengeräte oder Kinderbetreuung detailliert äussert, obwohl Mann längst damit vertraut ist.

 

Zugegeben: In meinem Erleben finde ich dieses Verhalten weitaus weniger bei den Frauen als bei den Männern. Was hilft, sich vor dem Erklären zu versichern, ob Frau auch wirklich hören will, was Mann zu sagen hat.

 

Philipp Steinmann

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