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Männer sind interessiert an Beziehungen, doch der Arbeitsspeicher ist zu klein

Männer sind interessiert an Beziehungen, doch der Arbeitsspeicher ist zu klein

 

 

 

Kürzlich erlebte ich einen dieser schönen Abende, an dem Männer und Frauen mit einem forschendem Geist über Beziehung reden. Einmal mehr kam dabei das Thema zur Sprache, dass Männer die Anliegen der Frauen nicht genügend ernst nehmen und nicht erreichbar sind. Dabei bemühen sich die Frauen doch so sehr, alles verständlich und plausibel zu erklären. Sie wiederholen sich, suchen andere Worte und einen anderen Zugang zum Thema und trotzdem kommen sie bei den Männern nicht richtig an. Was anfänglich als gutes Gespräch beginnt und Mann reflektierend und einfühlsam beteiligt ist, ändert sich irgendwann in ein «nicht mehr hören können.» Das frustriert Frau und entweder sie entscheidet sich zum wiederholten Nachbohren oder sie wendet sich ab über das Unverständnis des Mannes. Frau fühlt sich stehengelassen.

 

 

 

Es ist nicht so, dass Männer nicht hören können oder wollen. Ganz im Gegenteil; die meisten Männer in Beziehungen sind daran interessiert, was ihre Frauen zu sagen haben. Männer möchten Beziehungen leben, mitgestalten, in Kontakt sein und sich weiter entwickeln. Doch warum hört Mann nicht mehr zu?

 

 

 

Die meisten Kontaktabbrüche geschehen weil der «interne Arbeitsspeicher» des Mannes voll ist. Und dieser ist wesentlich kleiner als bei Frauen. Dies liegt an den neuronalen Verknüpfungen.

 

 

 

Auch bei mir beobachte ich fasziniert immer wieder den Prozess, wie ich gehörte Informationen schlichtweg zur Seite lege. Das Gehirn funktioniert so, dass es möglichst wenig Energie braucht. So werden u.a. Informationen auf ihren Gebrauch geprüft: Was ist für Mann wichtig und bedeutend? Falls die Impulse, warum auch immer, als nicht interessant erscheinen – DELETE.

 

Wenn Mann bereits seit einiger Zeit mit Frau in einem Gespräch ist und es harzt und beide verstehen sich nicht, nähert sich der Arbeitsspeicher bedenklich nahe seiner Erschöpfung. Mann merkt, dass er nicht mehr richtig zuhören kann, die Konzentration nimmt ab und ein selbstfahrendes Gedankenkarussell dreht sich. Anfänglich versucht er vielleicht durch Nachfragen oder Wiederholungen des Gehörten am Ball zu bleiben. Doch wenn dann noch «schwierige» Gefühle dazu kommen, ist einfach Schluss. Da geht nichts mehr rein. Was bleibt Mann anders übrig als sich zurückzuziehen. Dies ist selten eine gewollte, bewusste Entscheidung. Vielmehr ist es eine Notwendigkeit die sich daraus ergibt, dass der Arbeitsspeicher schlichtweg voll ist.

 

Das wäre an und für sich noch kein Grund für dramatische Beziehungssituationen. Schwierig wird es hier, wenn das Gegenüber dies als Desinteresse an der Beziehung oder am Kontakt interpretiert.

 

Was es braucht, ist die Fähigkeit des Mannes, frühzeitig zu merken, dass sich der interne Arbeitsspeicher jetzt gerade gefährlich anfüllt. Es braucht ein «Stop, halte mal inne mit Reden. Ich muss erst mal verarbeiten, was ich gehört habe.» Meist folgt dann eine kürzere oder längere Zeit der Neusortierung. Das Gehörte wird an seinen richtigen Platz gebracht – an den für Mann richtigen Platz. Dann erst ist Mann wieder in der Lage weiter zuzuhören. Und oft macht es Sinn, das Gespräch wieder dort aufzunehmen, wo das Zuhören noch ein Verstehen war.

 

Es ist für eine Beziehung hilfreich, wenn Mann in solchen Situationen eine Anleitung an das Gegenüber aussprechen kann, was er jetzt gerade braucht. Das heisst, dass Mann Verantwortung übernimmt gerade für diesen Moment des Gespräches und damit für die Beziehung. Ansonsten bleibt ihm nur noch der Rückzug, in der Hoffnung, dass er seinen Arbeitsspeicher leert, um aufs Neue wieder im Gespräch zu sein.

 

 

 

 

Philipp Steinmann

 

 

 

Link zum Gehirn: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/gewohnheiten/gewohnheiten-hirnforschung-100.html

 

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