· 

Wie können Männer Könige sein?

Drei Schritte, um Opfer- und Täteranteile zu befreien

 

Oft vergessen wir Männer, dass wir seit Geburt König im eigenen inneren Reich sind. Bereits in der Kindheit kann es geschehen, dass wir unsere Krone abgeben. In diesem Alter ist das Reich sehr klein gegenüber dem Königreich der Eltern. Doch Kinder müssen den Handel zwischen den Reichen um jeden Preis aufrecht halten. Das hauptsächlich gehandelte Gut ist die Liebe. Kinder beschliessen deshalb oft, unscheinbar zu werden und machen sich klein. Und in der Pubertät verschwindet die Krone gänzlich und junge Männer entscheiden sich für den oppositionellen Aufstieg (Ich zeige allen, was ich kann) oder die schuldbeladene Depression (Krankheiten, Drogen usw.). Wir treffen unbewusst Entscheidungen und wissen nicht, welche Auswirkungen diese auf unser Leben als Mann haben.

 

Jungs setzen in dieser Zeit einen Verwalter ein. Diese nicht bewusste Figur orientiert sich an männlichen Vorbildern. An Männern, die wissen wo es lang geht, die stark und mächtig erscheinen. Um in diese Attribute hineinzuwachsen, entsteht das Bild des inneren Kriegers. Junge Männer probieren sich aus und erleben sich u.a. als besonders machtvoll, wenn sie in Gruppen sind. Auch der machtlose Krieger gehört zu wichtigen Erfahrungen in der Entwicklung.

 

Kriegerfiguren, die nicht im Dienst eines Königs sind, neigen zu einem exzessiven Verhalten. Das eine ist die Überhöhung der Persönlichkeit, das andere ist die Reduktion. In beiden Polaritäten gibt es Täter- und Opferfiguren.

 

Männer, die zu machtvollen Führerfiguren oder zu autonomen Ernährern heranwachsen, haben es mit dem gewachsenen Selbstwert der Frauen schwer. Frauen fordern differenzierte und reflektierte Männer. Wohin also mit den Vorbildfiguren des Verwalters? Diese werden irgendwo in der eigenen Seele abgelegt. Doch hier wirken sie weiter und suchen sich unbewusst einen Weg. Sie erscheinen nicht mehr als rohe Krieger, sondern tarnen sich z.B. als gut meinende Retter (Ich weiss wie es geht), die nicht gleich als Täterfiguren zu identifizieren sind. Jeder Mann hat Täteranteile in sich! Primär zeigen sich diese als subtil psychische Einflussnahme auf die Umgebung und weniger in körperlichen Gewalttaten. Jahrhunderte patriarchale Prägung hinterlassen ihre Spuren. In meiner Arbeit als Gestalttherapeut stelle ich immer wieder fest, wie Männer wesentlich mehr als Frauen ihre Täteranteile ablehnen. Erst die Auseinandersetzung mit dieser Kraft ist eine der Bedingungen, um die Krone wieder zurück zu holen.

 

Anders Männer, die ihre Kraft reduzieren: Sie haben eine Tendenz zur Übername von Schuldgefühlen und Fremdbestimmung. Sie sind meist sehr verantwortungsvoll, stellen jedoch ihre Bedürfnisse primär hinten an. Männer, die sich zu sehr anpassen, konfliktscheu in Beziehungen leben oder sich an starken Führern anlehnen, sind oft durch starke Täterfiguren in ihrer Kindheit geprägt. Hier sind Gefühle wie Ohnmacht, Verwirrtheit, Schuld, Schwäche usw. angesiedelt. Mit solchen Gefühlen will kein Mann über längere Zeit leben. Sich als Opfer zu fühlen, ist ein Weg der Verarbeitung. Doch damit ist es schwierig, die Krone zu tragen.

 

1) Die Krone liegt in der Unterwelt.

Hilfreich ist, sich von den Täter- und Opferteilen zu lösen. Der Weg führt in die Tiefe, in die Unterwelt der eigenen Seele. Hier treffen Männer auf ihre ersten Täter- und Opferfiguren, meist Vater und Mutter oder andere Bezugspersonen. Die Auseinandersetzung erfordert zuerst Anschuldigungen, dann erst Vergebung. Was haben meine Eltern, meine Bezugspersonen getan oder unterlassen? Was ist falsch gelaufen in meiner Kindheit und Jugend? Es geht darum, in Kontakt zu kommen mit dem Kind und dem jungen Mann, der damals nicht die Krone tragen durfte. Diese Arbeit geht anfänglich über die Wut. Denn eine (manchmal Jahrzehnte lang) nicht ausgedrückte und adressierte Wut ist nicht einfach «nicht vorhanden». Sie sucht verdeckt im Männerkörper einen Ausgang im Aussen – in Fremdenfeindlichkeit, Abwertungen, Schuldzuweisungen usw. – und im Innern durch Schäden an Organen und Körperverpanzerungen.

 

2) Vergeben heisst neu entscheiden

Dann geht es darum zu schauen, welche Entscheide hatte damals der junge, machtlose König getroffen? Welche Kriegerfiguren hatte sein Verwalter damals losgeschickt? Zornige, aggressive Draufgänger oder schuldige Anpasser? Das Anerkennen dieser Entscheide ermöglicht Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und gibt die Möglichkeit, Vater und Mutter aus ihrer zugewiesenen Schuld zu entlassen. Mit diesem Akt setzt Mann sich wieder die Krone auf und entbindet sich selbst aus der Täter- und Opferrolle.

 

3) Ein Krieger dient dem König

Jetzt braucht es neue Gesetze. Der Verwalter muss verdankt, gewürdigt und verabschiedet werden. Und damit brauchen die Kriegerfiguren eine neue Führung. Mit der Inthronisierung des Königs ist es wichtig, dass der machtvolle Krieger (Täter) vor dem König kniet. Er muss sich nicht länger für alte Wunden rächen. Und der machtlose Krieger (Opfer) kann sich erheben und seine Würde zurückerhalten.

 

Wie Mann die Königskrone wieder tragen kann

Männer müssen einen inneren Prozess durchlaufen, um die Krone wirklich tragen zu können. Wer zu schnell und aus einer Not heraus nach der Krone greift, wird die innere Kraft der Würde vermissen und die tief körperlich erfahrene Notwendigkeit fehlt. Für den Abstieg in die Unterwelt und die Begegnung mit den eigenen Täter- und Opferseiten braucht Mann andere Männer, die ihm zur Seite stehen. Niemand kann allein zu diesen dunklen Orten gehen und der Akt des Aufsetzens der Krone will bezeugt sein. Erst dadurch kann sich die königliche Kraft wirklich entfalten, sodass Mann in der Lage ist, mit Demut, Liebe und Wahrhaftigkeit zu regieren – zu seinem eigenen Wohl, zum Wohl des Gegenübers und zum Wohl der Gemeinschaft.

 

 

Für den Text habe ich mich inspirieren lassen von Holger Heiten vom Eschwege-Institut.de

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0