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Angst in Zeiten des Virus

Dieser Virus stört, bringt den Lauf der Dinge durcheinander und macht Angst. Plötzlich sind wir gezwungen uns mit Geschehnissen auseinandersetzen, die wir nicht gesucht haben. Wir fühlen uns einem Geschehen ausgeliefert, das wir nicht kontrollieren können – es geschieht etwas mit uns.

 

Solch unerwartete Situationen sind wie ein äusserer Ruf. Normalerweise können wir mehr oder weniger bewusst entscheiden, ob wir einem solchen Ruf folgen wollen oder nicht. Doch Angesichts der Invasivität des Virus oder vielmehr der verbreiteten Angst vor der Wirkung haben wir keine Möglichkeit mehr auszuweichen. Wir müssen uns der Situation anpassen und uns verändern. Das macht primär Angst, denn weder Zeitpunkt noch Rhythmus noch Intensität sind selbstgewählt.

 

Doch wie gehen wir damit um?

Wir Menschen funktionieren unterschiedlich. Während die einen sich mit vielen Informationen eindecken, andere mit Lebensmitteln, ignorieren Dritte mit hohen Spannungszuständen die Bedrohung und andere reagieren apathisch. Allen gemeinsam ist der Versuch einen Umgang mit sich selbst zu finden, um wieder in einen angenehmen inneren Zustand zu finden, kurz gesagt: sich in einen angstfreien Zustand hinein zu regulieren.

 

Angst wäre eine gesunde Reaktion, die Energie mobilisiert um uns zu beschützen und uns hilft zu überleben. Das wäre die evolutionäre Herkunft der Angst und macht Sinn. Doch selten sind wir in der Lage uns die Frage zu stellen, ob es sich lohnt Angst zu haben. Meist greift eine unbestimmbare Kraft nach uns und der Körper reagiert mit hoher Erregung - eine Angst, die scheinbar aus dem Nichts kommt. Die Quelle dieser Erregung ist selten logisch und erklärbar, da sie nicht im Aussen zu finden ist, sondern der Auslöser ist im Körper. Diese Angst hat meist damit zu tun, dass es eine Grundangst in uns gibt, die nicht gelöst ist, also noch unbekannt und unbearbeitet. Es ist eine Angst, die tiefere Ursache hat. Neurologisch angesiedelt ist sie im Stammhirn und verbunden mit dem dorsalen Vagusnerv. Dieser löst Reaktionen wie Kampf, Flucht oder Starre aus. Und weltliche Bedrohungsszenarien wie die aktuelle Virussituation können kollektiv aufgeladen zu solchen Zuständen führen. In diesen Situationen übernehmen unbewusst alte Anteile unserer Persönlichkeit die Führung. Da sie nicht im Kortex, also im denkenden Teil unseres Gehirns angesiedelt sind, ist rationales Denken zumindest stark beeinträchtigt und in panischen Reaktionen gar nicht mehr vorhanden. Und Menschen, die eh schon in einem hohen Erregungs- oder Spannungszustand sind, können diese Angst oft nicht spüren. Das heisst nicht, dass sie nicht vorhanden ist.

 

Doch alles was wir in unserer Psyche nicht bearbeiten, was wir am liebsten wegtun, wird uns einholen. In Träumen und in unbewussten Reaktionsmustern suchen sich diese Teile unserer Persönlichkeit ihren Raum. Sie bestimmen unbewusst uns alltägliches Verhalten mit was wir unter anderem daran erkennen können, wenn wir uns nicht mit uns «im Reinen» fühlen oder nicht in uns zuhause oder unbegründet unwohl.

 

Doch was tun, wenn die ganze Umgebung sich nur noch mit Corona befasst?

Wenn nicht ausgesprochene Angst in jedem zweiten Satz mitschwingt? Was hilft ist beim Lesen, beim Reden, beim Filme schauen im Körper zu bleiben. Sich selbst zu beobachten, wie der eigene Körper reagiert ohne ein Gefühl zu benennen. Sich selbst zu beobachten, wie das Herz etwas schneller schlägt, wie der Puls etwas höher geht und vor allem, wo in meinem Körper fühlt es sich gerade angenehm an. Wenn du in diesem Zustand des wohlwollenden Beobachtens bleiben kannst und von hier aus auf die Welt mit ihrem Virus schaust, verändern sich viele übernommene Ansichten und Ängste können sich auflösen. Wenn es gelingt in der Wahrnehmung des Körpers zu sein, wirst du feststellen, dass die Angst vor zukünftigen Ereignissen schwindet.

 

In meinen Seminaren und in der Einzel- und Paararbeit ist Selbstregulation ein wichtiger Teil der Arbeit. Denn ein gelingender Umgang mit Angst ermöglicht nicht nur Vergangenes aufzulösen, sondern auch gegenwärtig angstfreier und mit einem grösseren Ja zu mir selber in die Welt zu gehen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Silke Heit (Samstag, 14 März 2020 16:53)

    Für diese wunderbare Anleitung, die meines Erachtens alle sinnvollen Möglichkeiten als Zusammenfassung darstellt, danke ich von ganzem Herzen. Die Tiefenatmung hätte ich mir noch etwas intensiver einbezogen gewünscht, denn sie bringt uns vor allem in einen balancierten Zustand und lässt uns trotz aller Panikmache da draussen innerlich glücklich sein.
    Genau diesen Link lege ich heute mit in meine Grussworte an meine erwachsenen Kursteilnehmer, die in den nächsten zwei Wochen weiterhin zu uns kommen können.

    Herzliche Grüsse

    Deutschkurse am See
    Silke Heit
    Gründerin und Geschäftsführerin

  • #2

    Silvia Hofmann (Samstag, 14 März 2020 23:21)

    Danke Philipp für deinen differenzierte Auseinandersetzung mit der momentanen Situationen und den darin wohnenden Ängsten. Ich freue mich über all jene, die Nähe in ihrer Arbeit oder in der Freizeit weiterhin leben und denen es gelingt, in gesunden Masse bei sich zu bleiben.
    Sich bei Krankheit zurück zu ziehen und sich Zeit für sein Gesunden zu nehmen, ist auch ohne Corona sinnvoll. Von der momentanen Panikschürerei möchte ich mich nicht anstecken lassen.
    Ich freue mich auf die Sonnenstrahlen der kommenden Woche.
    Herzliche Grüsse
    Silvia Hofmann

  • #3

    Elsbeth Horbaty (Sonntag, 15 März 2020 20:50)

    Danke Phillip für diesen Beitrag. Sehr gut erklärt, was passiert wenn wir Angst haben wie wir den Körper beobachten können.